Musil
139. Veranstaltung der Humboldt-Gesellschaft am 15.04.02 von Dr. Christoph Hönig (Gastvortrag)
Meine These lautet:
"Der Mann ohne Eigenschaften" ist ein ironischer und zugleich utopischer Roman.
1. Heute vor 60 Jahren starb Robert Musil während des Zweiten Weltkriegs vereinsamt und verarmt in Genf. Seine Frau streute die Asche in die Rhone. Es gibt kein Grab. - Musils Hauptwerk, "Der Mann ohne Eigenschaften", ist mit über zweitausend Seiten dicker als die Bibel. Übrigens auch Thomas Manns Roman "Joseph und seine Brüder" ist ein episches Werk "von unmodisch langem Atem" (T. M.) und umfasst ebenfalls über zweitausend Seiten. Der Romanzyklus von Proust "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" bietet gar das Doppelte: über viertausend Seiten. - Musils Jahrhundertroman gehört zur Weltliteratur, aber er wird wohl zu wenig gelesen. Denn dazu gehört etwas Mut wie zum Entschluss zu einer Weltreise. Aber es lohnt sich für Menschen, die das geistige Abenteuer lieben und suchen.
2. Wer war Robert Musil? Geboren wurde er 1880 in Klagenfurt. Zur gleichen Generation gehören Thomas Mann (1875), Hermann Hesse (1877), Franz Kafka (1883), Hermann Broch (1886). - Musil stammte aus einer altösterreichischen Beamten-, Gelehrten-, Ingenieurs- und Offiziersfamilie. Er studierte an der Technischen Militärakademie Wien, brach seine Offiziersausbildung ab und wurde Maschinenbauingenieur. Nach einer Tätigkeit als Assistent an der TH Stuttgart studierte er 1903-08 in Berlin Philosophie, Mathematik, Physik und experimentelle Psychologie und promovierte mit einer erkenntnistheoretischen Dissertation über Ernst Mach zum Dr. phil. Im Roman "Der Mann ohne Eigenschaften" werden aus diesem etwas sprunghaften und vielfältigen Werdegang des Autors Ulrichs "drei Versuche, ein bedeutender Mann zu werden" (S. 37 ff.): zuerst Leutnant, dann Ingenieur und schließlich - als "der wichtigste Versuch" - Mathematiker und Naturwissenschaftler. Musil selbst