Heimat
Es ist immer das gleiche: Sobald das Flugzeug in Istanbul gelandet ist, kriege ich Gänsehaut. Seit mehr als zwei Jahrzehnten geht es mir so. Wann immer ich türkischen Boden, mein „Heimatland“‚ betrete, wird mir seltsam zumute. Havasina, suvziiia, tasina, topragina ... mir fällt der Text eines Liedes ein, das die Luft, das Wasser, die Steine und den Boden dieses Landes preist. Ach, Heimat.
Doch diesmal hat die Freude nicht lange angehalten. Schon bei der Prozedur auf dem Flughafen dachte ich, dass dieses Land unmöglich meine Heimat sein kann — nicht die Heimat, die ich vor 25 Jahren mit meinen Eltern verließ, als die sich entschlossen, als „Gastarbeiter“ nach Deutschland zu gehen. Ich war acht Jahre alt. Sie fragten mich nicht. Tragische Geschichte, mag manch einer denken. Ich denke das nicht mehr. Natürlich habe auch ich Kindheitserlebnisse, die mit meinem „Ausländerdasein“ in Deutschland zu tun haben. Ich habe aber gelernt, stark zu sein. Meine Sozialisation war nicht von dem Bestreben geprägt, mich immer wieder in meinem Ausländerdasein zu bestärken, vielmehr von dem Wunsch, dazuzugehören. Ich studierte die deutsche Sprache, die deutsche Literatur und natürlich auch die deutsche Geschichte. Deutschland wurde mehr und mehr zu meiner geistigen Heimat. Aber ich blieb auch Türkin, obwohl ich in meinem Geburtsland immer nur die Urlaubswochen verbrachte. Ich bereiste das Land, bewunderte die architektonischen Schönheiten, die das Osmanische Reich hervorgebracht hat, und besuchte die antiken Stätten. Nie habe ich mich bei meinen Reisen als Touristin gefühlt. Denn nicht nur die Sprache, auch die Mentalität, die Gestik und die Mimik dieser Menschen sind mir vertraut. Doch in jüngster Zeit hat sich etwas verändert. Etwas, was mir zuvor nicht aufgefallen war oder was ich nicht bemerken wollte, wurde klar. Ich habe mich entfernt — nicht nur, dass ich mich in der Türkei zunehmend fremd fühle, auch, dass die Menschen mich dort wie eine Fremde behandeln. Zurückgekehrt