Expression Crite
"Früher, wenn ich an diesem Strand stand und nach Osten schaute, dachte ich, wenn ich hier los-schwimme, komme ich auf Föhr an", sagt Brigitte. Meine Gesprächspartnerin hat blondes Haar und sehr helle Augen, die besonders aufleuchten, wenn sie von ihrer Heimatinsel spricht. Wir stehen beide barfuss am Strand von Long Island, aber an diesem Tag ist es viel zu kühl, um ins Wasser zu gehen. "Ich war noch nie da, ist es hier nicht ein wenig wie auf Föhr ?"
"Nein. Es ist anders. Dieser Strand ist sehr schön, aber in meinem Herzen kann nichts mit Föhr mithalten."
Brigitte ist 1963 zusammen mit ihrem Zwillingsbruder ausgewandert. Die Geschwister waren noch nicht ganz siebzehn Jahre alt. Ihr Vater war gerade gestorben, und ihre Mutter musste allein für ihre 5 kleinen Kinder sorgen, doch es gab einen Onkel in Amerika, der die beiden zu sich holte. Auch er hatte einen Deli-Store. Dort arbeitete Brigitte eine Zeitlang, wechselte dann in eine Fabrik, wurde Kellnerin und jobbte hier und da, bis sie ihren Mann kennenlernte und drei Kinder bekam.
"Als meine Ehe auseinanderging, habe ich die Kinder allein gross gezogen. Es war hart, aber das hat sich gelohnt."
"Sprechen deine Kinder auch Platt ?", frage ich.
"Nein. Ich habe es ihnen nicht beigebracht. Es war keine Zeit dafür da."
Ebenso mangelte es an Zeit und Geld, um in die Heimat zurückzufahren. Erst nach siebenundzwanzig Jahren sah Brigitte ihr geliebtes Föhr endlich wieder. Wenn sie von dieser ersten Reis ihre nach dem langen Exil erzählt und ihr Blick dabei den Horizont streift, strahlt ihr ganzes Gesicht vor Glück. Drei dicke Fotoalben hat sie damals mit Bildern von der Insel gefüllt; inzwischen kann sie es sich leisten, regelmässig hinzufliegen. Und das möchte sie tun, bis es gar nicht